Angststörungen bei geretteten Straßenhunden

Die Adoption eines Auslandhundes ist ein seit Jahren viel diskutiertes Thema. Seit Corona ist die Zahl der importierten Hunde extrem gestiegen. Leider sind nicht alle Vermittler seriös und haben das Wohl des Tieres im Sinn. Viele Welpen werden viel zu früh ohne Impfungen über die Grenze gebracht, sind verhaltensgestört oder körperlich krank.

Aber auch bereits erwachsene Strasenhunde werden von unzähligen s.g. Tierschutzorganisationen aus ihrem jämmerlichen Dasein gerettet und zeigen sich in Ihrem neuen Luxusheim als verhaltensgestört. Häufig macht sie auch eine Angststörung geradezu gefährlich für Menschen und Artgenossen. Gerade bei der Vorstellung in der Tierarztpraxis begenen wir dann oft solchen gequälten Kreaturen, die aus der Zwickmühle Angst – Stress – Aggression gar nicht heraus können.

Der Hundetrainer Niko Stoppel beschreibt 2021 diese Situation, die vor allem bei Hunden aus dem Ausland zutrifft, in einem Artikel im Onlinemagzin der Zeit wie folgt:
street dog (c)  Vaibhav Jadhav„Nehmen wir an, du kriegst einen Hund aus dem Ausland mit einer Angst vor Menschen. Dann heißt es häufig, ihm sei bestimmt etwas Schlimmes passiert. Man selbst war aber nicht dabei, man weiß also nicht aus erster Hand, was der Hund erlebt hat, geschweige denn, ob es wirklich traumatisierend für ihn war. Es kann auch sein, dass der Hund sechs Jahre lang selbstständig auf der Straße gelebt hat. Dazu sind sie ja in der Lage, gerade wenn sie in dieser Situation geboren sind. Auch wenn die Lebensumstände von Straßenhunden schlecht scheinen, passen sie sich an diese an. Und dann kommt da jemand, holt den Hund ab, unterzieht ihn einer Kastration, die erhebliche hormonelle Veränderungen und womöglich psychische Belastung mit sich bringen kann, steckt ihn in einen LKW, fährt 40 Stunden damit durch Europa, steigt woanders aus, wird von jemanden mit riesigen Erwartungen in Empfang genommen, in einer Welt, die er noch nie gesehen hat, in der alle Mechanismen, die er davor kannte, nicht mehr funktionieren und in der er nicht mal mehr aufs Klo gehen kann, wann er will – all das, ohne selbst mitentscheiden zu können. Das allein könnte schon ein traumatisches Erlebnis sein. Kein Mensch würde das freiwillig mitmachen.“

Meist gelangen solche Hunde in die Hände gutmeinender, aber unerfahrener Tierliebhaber. Eine nachträgliche Sozialisation auf die neue Lebensgemeinschaft mit einem Mensch oder gar einer Familie ist ist vor diesem Hintergrund schwierig und viele Hunde landen dann als unvermittelbar oder gar gefährlich in den hiesigen Tierheimen. Und selbst wenn die neuen Frauchen und Herrchen dies nie zulassen würden, führt es doch oft zu einem stressigen und unglücklichen Leben für alle Beteiligten.

Es wäre schön, wenn mehr Tierretter und Hundeimporteure reflektieren könnten, was für einen Bärendienst sie manchen Hunden damit leisten.